Soll die Energiewende gelingen, müssen die Stromverteilnetze jetzt bedarfsorientiert umgebaut und flexibilisiert werden. Denn durch den wachsenden Anteil der stark fluktuierenden Stromerzeugung aus erneuerbaren Energiequellen ändern sich die Energieflüsse in den Verteilnetzen nicht nur je nach Lastsituation, sondern auch nach Wetterlage. Dies stellt die Verteilnetze vor erhebliche wirtschaftliche wie technische Herausforderungen. Eine Lösung gibt es jedoch, die der Technologieverband VDE jetzt in einer neuen Studie aufzeigt: Den Umbau der Stromverteilnetze in „aktive Verteilnetze“. Sie ermöglichen es, dass Last- und Einspeiseverhalten, Spannung, Blindleistung, Netzschutzparameter und Netztopologie, situativ und automatisch bis in die Niederspannungsebene angepasst und so ein sicherer und stabiler Netzbetrieb auch bei höherer dezentraler Einspeisung gewährleistet werden kann. Welche automatisierungs- und schutztechnischen Herausforderungen mit dem Umbau hin zu einem flexiblen, „atmenden Netz“ verbunden sind, zeigt die neue VDE-Studie „Schutz- und Automatisierungstechnik in aktiven Verteilnetzen“. Sie dient gleichzeitig als Leitfaden für die Erarbeitung und Weiterentwicklung von Planungs- und Betriebsgrundsätzen sowie zur Bewertung von Lösungskonzepten und berücksichtigt alle Anforderungen an die Informationssicherheit. Die Studie geht dabei auch auf die steigende Anzahl von Marktteilnehmern, neue Geschäftsmodelle sowie geänderte ordnungspolitische Rahmenbedingungen ein.
Um den Umbau zu meistern, müssen die klassischen „Einbahnstraßen“-Verteilnetze mit IT-Intelligenz ausgestattet und zu „gegenverkehrsfähigen“ flexiblen Smart Grids umgebaut werden. Diese Aufgabe ist umso anspruchsvoller, als es sich bei Stromverteilnetzen um eine kritische Infrastruktur handelt. Die Studie fokussiert daher auf die zuverlässige, sichere und schnelle Erkennung von Fehlerzuständen wie zum Beispiel zweiseitig gespeiste Fehlerströme und Zwischeneinspeisung oder die zunehmende Verkabelung der Verteilnetze. Da die für den sicheren und reibungslosen Netzbetrieb notwendige Automatisierungstechnik und das aktive Netzmanagement mit einem hohen Investitions- und Betriebsaufwand verbunden sind, fordert der VDE regulatorische Anreize, damit sich diese Investitionen für Netzbetreiber rentieren. Zugleich weist der Verband darauf hin, dass die Verantwortung für die Bewertung, Auswahl und Umsetzung des jeweiligen Automatisierungskonzepts grundsätzlich beim Netzbetreiber liegen muss. Auf eine kurze allgemeine Formel gebracht lautet die Zielvorgabe für sichere und stabile Smart Grids: „mehr dezentrale Automatisierung – zudem Netzleittechnik mit neuen übergreifenden Funktionen; nicht weniger lokale Schutztechnik – mehr übergreifende Schutzfunktionen“. Weiteren Forschungsbedarf sieht der VDE hinsichtlich der Einsatzmöglichkeiten moderner Informations- und Kommunikationstechnik im Bereich der Schutz-, Automatisierungs- und Netzleittechnik. Die Studie richtet sich gezielt an Netzbetreiber, Hersteller sowie Politik und Regulierungsbehörden.